Dreifürsteneck mit wilder Vergangenheit

Straßwalchen war einst Grenzort zwischen Salzburg, Bayern und Österreich / Neuer Grenzfall auf www.salzburg.at
Salzburger Landeskorrespondenz, 06. November 2014

(LK)  Wo drei Fürsten gemeinsam an einem Tisch, aber trotzdem im eigenen Herrschaftsgebiet sitzen konnten, warum der Dorfpfarrer die Messe in drei Staaten las, wie man mit Eiern gegen marode Straßen protestierte, warum die Bayern bei fremdgehenden Bierliebhabern keinen Spaß verstanden und wer den Straßwalchenern wiederholt den Galgen fällte, das enthüllt ein aktueller Grenzfall, der heute, Donnerstag, 6. November, auf www.salzburg.at, der Plattform für die Europaregion, veröffentlicht wurde und sich mit der Vergangenheit des heute von Oberösterreich umzingelten Salzburger Grenzorts Straßwalchen auseinandersetzt.

Heute ist an Straßwalchens Grenzen alles ziemlich unkompliziert, wenn auch einzigartig. Ganze sechs oberösterreichische Gemeinden hat die Marktgemeinde neben Köstendorf im Westen und Neumarkt im Süden als Nachbarn und ragt wie eine Hundeschnauze ins Oberösterreichische. Diese Randlage verursacht heute keine politischen Verwicklungen mehr, doch blickt Straßwalchen auf mehr als unruhige 500 Jahre zurück, in denen die Gemeinde am geografischen Scharnier dreier Herrschaftsbereiche diese exponierte Lage zu spüren bekam. Die Schwierigkeiten begannen 1286, als die Bayerischen Herzöge ihr Gebiet erweiterten und in Straßwalchen auf dem Standort des heutigen Gemeindeamts eine Mautstelle einrichteten. Schließlich wollten auch sie am lukrativen Salzburger Salzhandel mitnaschen. Da auch der Transportweg über die Salzach immer wieder von den Bayern behindert wurde, ließen die Erzbischöfe mit dem "Salzweg" über Irrsdorf eine Umgehungsroute errichten, wovon noch heute ein Grenzstein bei Taign aus dem Jahr 1577 zeugt.

Dreigeteiltes Alltagsleben

Die Straßwalchener mussten mit einer Dreiteilung leben: Mautrechtlich gehörten sie zu Bayern, pfarrlich zum Bistum Passau und hatten den Salzburger Erzbischof als Landesherren. Damit nicht genug, wechselte die Halsgerichtsbarkeit, also das Recht zur Verhängung von Todesstrafen, laufend zwischen Salzburg und Bayern, und beide Seiten leiteten daraus weitere Ansprüche ab. Der katholische Ortspfarrer durfte über diesen Dingen stehen: Er las die Messe im oberösterreichischen Oberhofen, in Heiligenstatt (heute in der Gemeinde Friedburg) in Bayern und in der Straßwalchener Marktkirche auf Salzburger Boden.

Mit den Mauteinnahmen waren auch die zu kontrollierenden Straßen zu erhalten. Nicht immer wurde dem nachgekommen, weshalb etwa 1702 eine Fuhre von 6.000 Eiern, die als Zehent an die Festung Hohensalzburg abzuliefern war, überwiegend zerbrochen den Empfänger erreichte – Verwaltungsversäumnisse wurden so auf recht anschauliche Weise auf den (Knack)punkt gebracht.

Handgreiflicher Maut-Protest

Die Straßwalchener erkämpften sich immerhin eine Mautbefreiung für den Eigenbedarf, deren Auslegung jedoch wiederholt für Streit mit der Mautverwaltung sorgt. Handgreiflichkeiten waren da nicht die Ausnahme: So geriet ein Fuhrknecht, der seine voll beladenen Wägen auf der ungeräumten Straße über mehrere Tage und Nächte stehen lassen musste, derart in Rage, dass er den Mautschreiber als Lumpenkerl bezeichnete und der verwitweten Mautnerin einen Stoß in den "S. V: hintern" versetzte.

Gänzlich der Kragen platzte den Straßwalchenern, als die Maut kurzerhand um das Doppelte erhöht wurde und der Bierpreis drastisch stieg. Aus diesem Grund wurden 1716 von der Bevölkerung das Mauthaus im Straßwalchener Ortszentrum und die Beimaut in Steindorf überfallen und die Schilder demoliert.

Nachbarliches Bierverbot

Ob es am Geschmack lag, lässt sich heute nicht mehr eruieren, doch war es den bayerischen Behörden ein Dorn im Auge, wenn die eigenen Leute ihren Durst beim Salzburger Nachbarn löschten und ordneten 1750 bei Strafe von 24 Talern an, dass kein Bayerischer Untertan in Salzburger Wirtshäusern Bier trinken darf.

Auch der Galgen an der Straßwalchener Hinrichtungsstätte wurde Opfer des Gezerres um die Blutgerichtsbarkeit zwischen Bayern und Salzburg. Von Braunauer – also damals bayerischer – Seite wurde er wiederholt umgehackt, und das trotz militärischer Bewachung.

Ab 1779 kehrt Ruhe ein

Einen vorläufigen Schlussstrich unter die Zwistigkeiten wurde mit der Angliederung des ehemals Bayerischen Innviertels 1779 an Österreich gezogen. Jetzt war das Gedankenspiel, beim Dreiländereck in den Ausläufern des Kobernaußer Waldes die Fürsten Bayerns, Österreichs und Salzburgs an einem Tisch, doch jeden in seinem Herrschaftsgebiet sitzen und miteinander sprechen zu lassen, endgültig unmöglich geworden. Bis 1816 Straßwalchen endgültig und vollinhaltlich zu Salzburg kam, gab es noch einige administrative Geplänkel, doch seither ist Ruhe eingekehrt in den nordöstlichen Zipfel des Flachgaus. s243-60