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Nr. 294 der Beilagen zum stenographischen Protokoll des Salzburger Landtages

(4. Session der 16. Gesetzgebungsperiode)

Bericht

 

des Petitionsausschusses zur Petition des Bürgermeisters, der Gemeindevertretung und Anrainer Lichtentannstraße von Henndorf am Wallersee gegen die Bewilligung der Bodenaushubdeponie Eder zum Schutz der aktuellen und zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner der Lichtentannstraße vor übergebührlichem Lärm, Staubemissionen und Gefährdung, im speziellen der Kinder, durch den dauerhaften Schwerverkehr

 

 

Der Petitionsausschuss hat sich in der Sitzung vom 3. März 2021 mit der Petition befasst.

 

Abg. HR Prof. Dr. Schöchl erläutert das Anliegen der Petition. Die geplante Bodenaushubdeponie im Henndorfer Ortsteil Ölling mit einer Deponiefläche von knapp 5 ha solle acht Meter aufgeschüttet werden und über eine Dauer von 15 Jahren mit insgesamt 250.000 m3 Material gefüllt werden. Als Betriebszeiten seien Montag bis Freitag jeweils 7:00 bis 19:00 Uhr und am Samstag 7:00 bis 14:00 Uhr vorgesehen.

 

Für die Petenten spricht sich Mag. Mayer (Gemeindevertretung Gemeinde Henndorf) klar gegen die Bewilligung der geplanten Bodenaushubdeponie aus. Der Standort sei aus mehreren Gründen ungeeignet. Einerseits sei die geplante Zufahrt über die Siedlung Lichtentannstraße einspurig und gebe es keine Ausweichen, zudem sei die Zufahrtsstraße ein beliebter Fuß-, Lauf- und Radweg. Aus verkehrstechnischer Sicht sei die Straße für den zu erwartenden zusätzlichen Schwerverkehr mit bis zu 15 Lkw pro Stunde nicht ausreichend breit und völlig ungeeignet. Die zu erwartenden Emissionen, der Lärm und die Schadstoffbelastungen seien den Bewohnerinnen und Bewohnern der Siedlung nicht zumutbar und weitere Grenzwertüberschreitungen des Emissionsschutzgesetzes abzulehnen. Die Anrainer seien durch ein bis 2018 betriebenes Betonwerk jahrzehntelang untragbarem Lkw-Verkehr durch das Siedlungsgebiet ausgesetzt gewesen und hätten damit verbundene Schäden an Gebäuden und Grundstücken sowie die Gefährdung von Kindern in Kauf nehmen müssen. Nunmehr sei auf dem ehemaligen Gelände des Betonwerkes und unmittelbar bei der geplanten Deponie eine Wohnsiedlung im Rahmen eines Baulandsicherungsmodells vorgesehen. Hierfür würden im Räumlichen Entwicklungskonzept (REK) 2020 21 Parzellen für leistbaren Wohnraum ausgewiesen. Neben Problemen wie zB Betriebslärm oder der Ableitung von großen Wassermassen in das Biotop Weidenbach befürchte man die Zerstörung des Naherholungsgebietes, das für die Bevölkerung von großer Bedeutung sei. Das betroffene Gebiet werde beinahe zur Gänze vom Ice Ätsch Wanderweg umschlossen. Aus diesem Grund sei in die Entscheidung auch § 21 Abs. 1 Deponieverordnung 2008 einzubeziehen, wonach bei der Standortwahl die Entfernung zu Wohn- und Erholungsgebieten zu berücksichtigen sei. Er verweise auf eine abfallrechtliche und –technische Projektbeurteilung für Bodenaushub der Abteilung 5 aus dem Jahr 2018, die ua Anforderungen der Zufahrtswege vorschreibe, die beim geplanten Projekt nicht eingehalten werden könnten. Abschließend hält Mag. Mayer fest, dass in Henndorf in überparteilicher Zusammenarbeit die Entwicklung des Lebensraumes gestaltet werde und man hinter der Wirtschaft und regionalen und lokalen Entwicklungsmöglichkeiten stehe.

 

Abg. Dr. Schöppl bedankt sich bei den Einbringern für die Petition und betont, dass man sich den Sorgen der Betroffenen nur anschließen könne. Er erkundigt sich nach dem Verfahrensstand, den Möglichkeiten der Landesregierung bzw. des Landtages, um dieses Projekt verhindern zu können und ob allfällige Gesetzesänderungen Auswirkungen auf ein bereits laufendes Verfahren hätten.

 

Abg. Dr.in Klausner spricht sich für eine Unterstützung der Petition aus. Ihrer Meinung nach müsse der Aspekt der Verkehrsbelastung der Anrainerinnen und Anrainer künftig auf gesetzlicher Ebene entsprechende Berücksichtigung finden.

 

Frau Hauser (Anrainerin) berichtet, dass die Siedlung Lichtentannstraße in den 60erJahren entstanden und bereits damals die Absiedelung des Schotterwerks nach Versiegen mündlich zugesagt worden sei. Noch vor Absiedelung des Betonwerkes in das Gewerbegebiet im Jahr 2018 habe das Erdbauunternehmen 2017 einen Antrag zur Bewilligung einer Bodenaushubdeponie gestellt. Trotz intensiver Bemühungen seitens der Gemeinde wären die Anrainer im Falle einer Bewilligung weitere 15 Jahre einer Lärmbelastung durch den Lkw-Verkehr ausgesetzt, der auch eine enorme Gefahr für die Kinder darstelle. Im Übrigen gebe es keinen Gehsteig, sondern lediglich einen gekennzeichneten Gehweg. Sie könne nicht verstehen, dass dem Bürgermeister und der Gemeinde in dieser Angelegenheit die Hände gebunden seien. Als das geplante Projekt 2019 vorgestellt worden sei, sei die Verkehrssituation und Belastung der Anrainer durch den Verkehr nicht berücksichtigt und das Projekt von Behördenvertretern des Landes beschönigt worden.

 

Herr Podlesak (Technisches Büro für Kulturtechnik und Wasserwirtschaft) führt aus, dass er im Auftrag der Gemeinde die Lichtentannstraße zwischen der Umfahrung Henndorf und dem geplanten Aushubdeponiestandort verkehrstechnisch untersucht habe. Für die Bewertung der Lasttauglichkeit der Straße seien die bestehende Geländestraße aufgenommen sowie die Querschnitte geprüft worden und Bohrkernentnahmen der Straße in Abständen von 150 Metern erfolgt. Ergebnis der Analyse sei, dass für den Deponiebetrieb entsprechend den Vorgaben der Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen (RVS) eine Straße mit mindestens 6,5 m durchgängiger Breite unerlässlich sei. Die bestehende Straße könne die geforderte Breite jedoch nur an zwei Stellen aufweisen. In den wesentlichen Bereichen sei sie zwischen 4,7 und 5 m breit, eine Engstelle weise lediglich 4,1 m auf. Die Bewertung der Bohrkerne habe ergeben, dass der bestehende Straßenaufbau den zukünftig zu erwartenden Lasten nicht entspreche. Entsprechend den Vorgaben der RVS sei für eine Straße dieser Größenordnung mit den prognostizierten Normlastwechseln mindestens 15 cm Asphaltaufbau nötig. Der bestehende Asphaltaufbau liege im Schnitt bei 11 bis 12 cm. Die Straße sei aus den genannten Gründen für das durch die geplante Deponie zu erwartende Lkw-Verkehrsaufkommen nicht geeignet. Abschließend betont Herr Podlesak die Notwendigkeit von Aushubdeponien. Diese dürften jedoch nicht durch bewohntes Gebiet führen, sondern müssten an das höherrangige Straßennetz angeschlossen werden.

 

Klubobmann Abg. Mag. Mayer stellt eingangs fest, dass er die Bedenken der Anrainerinnen und Anrainer gut nachvollziehen könne. Dass die Gemeinde Henndorf immer kooperativ sei und wirtschaftliche Entwicklung zulasse, zeige sich ua an zwei aus unterschiedlichen Gemeinden in das Gewerbegebiet abgesiedelten Betonwerken. Wie von den Petenten ausgeführt, passe die Aushubdeponie am geplanten Standort schlicht und ergreifend nicht, deshalb solle jedes nur mögliche Mittel zur Verhinderung der geplanten Deponie ausgeschöpft werden. Er ersuche DI Poppinger, die raumordnungsfachlichen Bedenken darzulegen. Auf Ersuchen der Anrainer solle von der Abteilung 6 die Frage der Tauglichkeit der Zufahrt in Bezug auf den Lastkraftwagenverkehr geprüft werden. Das Ermittlungsverfahren sei noch nicht abgeschlossen und die Anrainer hofften, dass im Verfahren selbstverständlich die eingebrachten Bedenken und Gutachten entsprechend gewürdigt würden. Klubobmann Abg. Mag. Mayer schildert die unbefriedigende rechtliche Situation und nimmt Bezug auf den Leitfaden für die Genehmigung von Aushubdeponien, in dem ua eine Vorprüfung der Eignung der vorgesehenen Fläche samt Einbeziehung der Umgebung und Anrainer, angrenzender Siedlungsbereiche und Anrainerabstände und eine Vorortprüfung durch dafür geeignete Fachpersonen angeführt seien. Auch wenn sich dazu im Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) nichts Konkretes finde, sei die Vorgangsweise aufgrund der rechtsverbindlichen Durchführungsverordnung - der Deponieverordnung - anzuwenden. Er ersuche den Leiter der Fachgruppe Verfassungsdienst und Wahlen um die Darlegung möglicher Lösungsansätze, auch wenn diese im konkreten Fall unter Umständen nicht mehr angewendet werden könnten. Abschließend hält Klubobmann Abg. Mag. Mayer fest, dass in sensiblen Bereichen jedenfalls Rücksicht auf Naherholungsgebiete zu nehmen sei und auch die Lärmproblematik und CO2-Emissionen berücksichtigt werden müssten.

 

DI Poppinger (Raumplaner) führt in seiner Stellungnahme aus, dass neben dem geplanten Baulandsicherungsstandort auch auf den landwirtschaftlichen Teil von Ölling mit etlichen Wohnbauten Rücksicht zu nehmen sei, da die Bodenaushubdeponie zwischen den beiden Wohnstandorten zu liegen käme. Der geplante Standort befinde sich im unmittelbaren Naherholungsbereich. Aufgrund der Funktionsfestlegung für den Freiraum liege man deshalb in einem Bereich, der für Freizeit und Naherholung im REK besonders hervorgehoben werde. Im REK sei auch eine Kategorisierung der Straßen vorgenommen worden. Die betreffende Straße führe in landwirtschaftlich genutztes Gebiet und sei somit von niedrigem Rang. Da aus Sicht der Raumordnung am geplanten Standort auch kein neues Gewerbegebiet genehmigt werden könnte, sei auch aus dieser Sicht die Bodenaushubdeponie problematisch.

 

Dr. Sieberer (Leiter der Fachgruppe Verfassungsdienst und Wahlen) führt in Beantwortung der von den Abg. Dr. Schöppl und Klubobmann Abg. Mag. Mayer aufgeworfenen Fragen aus, dass eine Deponie nach verschiedenen Gesetzen zu beurteilen sei. Im AWG sei eine entsprechende Verfahrens- bzw. Genehmigungskonzentration vorgesehen. § 38 AWG beinhalte, dass auch landesrechtliche Materien, insbesondere das Naturschutzrecht und Raumordnungsrecht, anzuwenden seien. Gemäß § 38 Abs. 2 AWG kämen Baubewilligungen nicht in Betracht, jedoch seien bautechnische Vorschriften anzuwenden. Der Landesgesetzgeber könne über das Naturschutzrecht oder das Raumordnungsrecht Deponieprojekte beeinflussen. Auch wenn Baubewilligungen ausgeschlossen seien, könne eine naturschutzrechtliche Bewilligung daran anknüpfen, dass sich das Projekt in einem Bereich befinde, in dem eine entsprechende Ausweisung im Flächenwidmungsplan gegeben sei, zB als Ablagerungsfläche. Insofern könnten planerische Vorgaben in eine Bewilligung einfließen. Die Rechtslage sei in diesem Fall tatsächlich nicht eindeutig. Dennoch finde er die Argumentation des Bundeskanzleramt-Verfassungsdienstes im Gegensatz zu jener des Verfassungsdienstes des Landes Tirol überzeugender, dass zwar nach § 38 Abs. 2 AWG eine Baubewilligung nicht in Betracht käme, jedoch nicht ausgeschlossen sei, dass eine Widmung ein Beurteilungsmaßstab für die Genehmigung einer derartigen Anlage sein könne. Für ihn sei auch eine Normierung in § 15 Raumordnungsgesetz (ROG), Raumverträglichkeitsprüfung für Abfallbehandlungsanlagen, denkbar. Da in § 15 Abs. 2 ROG Deponien ausgenommen seien, müsste man diese Bestimmung entfallen lassen. Nach den Verfassungsbestimmungen des AWG komme rein formal gesehen die Kompetenz dem Landeshauptmann zu. Dr. Sieberer hält abschließend fest, dass man neue Regelungen selbstverständlich auf laufende Verfahren zur Anwendung bringen könne. Dabei müssten die Interessen des Projektwerbers berücksichtigt werden und dürfe diesem kein überraschender Aufwand aufgebürdet werden, mit dem dieser nicht habe rechnen und auf den er sich nicht habe einstellen können. Dafür sei eine Einzelfallbetrachtung notwendig, welche Regelungen welche Auswirkungen nach sich zögen.

 

Abg. Scheinast bedankt sich für die Petition, die die Mängel bei der Bewilligung von Deponien aufzeige, beispielsweise die Nichtberücksichtigung der Verkehrssituation. Eine einfache Möglichkeit wäre, § 15 ROG näher zu betrachten. Herr Podlesak habe ausgeführt, dass man Deponie-Standorte brauche, dabei seien die Verträglichkeit, Zufahrt und Anrainerinteressen zu berücksichtigen. Abg. Scheinast beantragt für die GRÜNEN, folgende Erledigung zu beschließen:

 

  1. Die Landesregierung wird aufgefordert, im laufenden Ermittlungsverfahren die ergänzenden Vorbringen der Parteien zu von der geplanten Betriebsanlage ausgehenden Emissionen und die der Betriebsanlage zuzurechnende Verkehrssituation zu prüfen.

     

  2. Die Landesregierung wird aufgefordert, an die Bundesregierung heranzutreten und sich für eine nähere Bestimmung im Abfallwirtschaftsgesetz hinsichtlich erforderlicher Abstände von Anlagen zu sensiblen Nutzungen einzusetzen.

     

  3. Weiters wird die Landesregierung ersucht zu prüfen, ob im eigenen Zuständigkeitsbereich nähere Bestimmungen hinsichtlich der Bewilligung von Aushubdeponien festgelegt werden können.

 

Landeshauptmann-Stellvertreter Dr. Schellhorn sagt, dass zum Leidwesen vieler Anrainer sowohl bei Gewerbeverfahren als auch bei AWG-Verfahren die Verkehrsauswirkung auf öffentliche Straßen nicht ausreichend berücksichtigt werden könne. Er hoffe, dass sich das in Zukunft ändere. Er könne als für das AWG zuständige Regierungsmitglied garantieren, dass das Verfahren durch die Abteilung 5 äußerst gründlich und unter Berücksichtigung aller Einwände geführt werde.

 

Klubobmann Abg. Egger MBA hält fest, dass er die Bedenken der Anrainer verstehen könne. Die Bedenken und Gutachten seien im Genehmigungsverfahren selbstverständlich entsprechend zu würdigen. Seiner Meinung nach solle man Aushubdeponien nicht grundsätzlich verhindern. Der Standort müsse jedoch verträglich und den Anrainern zumutbar sei. Andererseits sei zu bedenken, dass es immer schwieriger werde, Aushubdeponieflächen zu finden und sich dadurch das Bauen enorm verteuere.

 

Auf Vorschlag von Abg. Dr. Schöppl wird Punkt 3. des Antrages dahingehend modifiziert, die Wortfolge „ob und in welchem Umfang“ vor „im eigenen Zuständigkeitsbereich nähere Bestimmungen hinsichtlich der Bewilligung von Aushubdeponien festgelegt werden können“ einzufügen und dem Landtag bis 30. Juni 2021 einen Bericht vorzulegen.

 

Der modifizierte Antrag wird auf Vorschlag von Klubobmann Abg. Mag. Mayer in Form eines Fünf-Parteien-Antrages einstimmig angenommen.

 

 

Der Petitionsausschuss stellt einstimmig den

 

Antrag,

 

der Salzburger Landtag wolle beschließen:

 

  1. Die Landesregierung wird aufgefordert, im laufenden Ermittlungsverfahren die ergänzenden Vorbringen der Parteien zu von der geplanten Betriebsanlage ausgehenden Emissionen und die der Betriebsanlage zuzurechnende Verkehrssituation zu prüfen.

     

  2. Die Landesregierung wird aufgefordert, an die Bundesregierung heranzutreten und sich für eine nähere Bestimmung im Abfallwirtschaftsgesetz hinsichtlich erforderlicher Abstände von Anlagen zu sensiblen Nutzungen einzusetzen.

     

  3. Weiters wird die Landesregierung ersucht zu prüfen, ob und in welchem Umfang im eigenen Zuständigkeitsbereich nähere Bestimmungen hinsichtlich der Bewilligung von Aushubdeponien festgelegt werden können und dem Landtag bis 30. Juni 2021 einen Bericht vorzulegen.

     

     

    Salzburg, am 3. März 2020

     

Der Vorsitzende:

Teufl eh.

 

 

Der Berichterstatter:

HR Prof. Dr. Schöchl eh.

Beschluss des Salzburger Landtages vom 24. März 2021:

Der Antrag wurde einstimmig zum Beschluss erhoben.